„Ent-scheide das Schwert“ war früher
Es wird angenommen, dass das Wort „entscheiden“ etymologisch der Praxis entstammt, das Schwert aus der Schwertscheide zu ziehen. Zu früheren Zeiten war das Tragen eines Dolches oder Schwertes am Gürtel üblich. Eine Interpretation meint, dass ein aus der Scheide gezogenes Schwert bedeutete, dass jetzt ein Disput geklärt oder eben entschieden werden muss. Heutzutage entscheiden wir zumindest im zivilen Bereich in den meisten Fällen ohne (Androhung von) Gewalt. Doch in manchen Angelegenheiten wird auch in unserer heutigen Gesellschaft entweder mit Gewalt oder mit anderen Strafen gedroht, um eine Entscheidung zu erzwingen. Da müssen wir gar nicht bis in die Ukraine schauen.
Entscheidungen friedlich und im Einklang und zum Wohle aller Beteiligten zu treffen, bleibt für uns Menschen auch im Alltag manchmal ein Herausforderung. Manchmal fühlen wir uns richtig unfähig, eine große Entscheidung zu treffen. Oder wir sind auch bei kleinen Alltagsfragen schnell verunsichert, wie wir uns entscheiden sollen. Warum ist das so?
Bewusste Entscheidungen sind schwieriger
Wir treffen am Tag an die 20.000 Entscheidungen, sagen Neurowissenschaftler:innen. Denn jede noch so kleine Handlung ist auf eine Art eine Entscheidung, die das System Mensch treffen muss. Die meisten davon treffen wir unbewusst und automatisch, wie Handlungen zur Körperhygiene, Versorgung mit Essen und Trinken, Gehen, Fahrradfahren etc. Manchmal fängt es schon bei der Wahl des Essens oder der Tagesgestaltung an, dass wir Probleme bekommen, uns zu entscheiden. Noch schwieriger wird es dann auf der Arbeit oder in Bezug auf uns wichtige Menschen, wenn wir wirklich verantwortungsvolle Entscheidungen treffen müssen.
Wenn wir uns mal genau anschauen, worum es im Kern beim Entscheiden geht, dann könnte man sagen: Es geht darum, mindestens zwei Dinge voneinander zu trennen. Von diesen zwei Dingen folge ich einem, ich gehe ich mit einer Entscheidung oder Wahl – und die andere lassen ich hinter mir, ich trenne mich von ihr. Und genau diese Trennung ist häufig das Problem. Ich muss den Mut aufbringen, eine Sache oder manchmal eben auch einen Menschen zu verlassen, um mich für etwas anderes oder jemanden anderes zu entscheiden und bei der Wahl zu bleiben und Verantwortung dafür zu tragen.
Warum kann ich mich so schwer entscheiden?
Es gibt viele gute Gründe, die uns Entscheidungen erschweren.
- Zu hohe Ansprüche an uns und an die Entscheidung oder die Übernahme von vermeintlichen Maßstäben/Ansprüchen von anderen wie Familie, Nachbarn etc.
- Angst vor Fehlern oder Ablehnung: Wir wissen nicht, wie sich die Entscheidung auswirkt und wollen negative Auswirkung vermeiden.
- Angst vor Verlust, sich nicht trennen können.
- Angst, etwas zu verpassen, alles haben wollen
- Zeitdruck oder Abhängigkeit von anderen (manchmal vermeintlichen) Sachzwängen
- Dilemma = Ausweglosigkeit (wenn alle Entscheidungen schlecht sind)
- Zu viele Auswahlmöglichkeiten (choice overload)
- Zu große und schwere Entscheidungen, die über unserem Verantwortungsbereich liegen (zum Beispiel wenn Kinder etwas entscheiden sollen)
Und schließlich gibt es noch die Kategorie der „systemischen Verstrickungen“, die eine Entscheidung beeinflussen können. Eine systemische Verstrickung liegt vor, wenn wir mit einer Person aus unserem Familiensystem bzw. mit ihrem Leid in Verbindung stehen und für sie dieses Leid lösen wollen. Dann sind wir in manchen Bereichen nicht frei in der Entscheidung, als ob wir für die Person mit entscheiden, sie mit einbeziehen in unsere Überlegungen. Das machen wir natürlich unbewusst. Es gibt in der Aufstellungsarbeit beispielsweise immer wieder das Anliegen von Menschen, die viel umziehen und nicht an einem Ort ankommen können, sie sind immer auf der Suche. Manchmal kann dahinter eine Verbindung zu einem Familienangehörigen stehen, der im Krieg flüchten und alles hinter sich lassen musste und darunter sehr gelitten hat.
Verallgemeinert für alle Zustände könnte man sagen, dass unser Geist hier beim Entscheiden getrübt ist. In der Lehre des QiGong gibt es das Sprichwort: „Das Herz ist der Kaiser und herrscht über die Wandlungen des Geistes.“ Alle Bewegungen des Geistes wie Überlegen und Entscheiden sollten also im Einklang mit dem Herzen sein. Und wenn das Herz verwirrt oder verschlossen ist, kann es den Geist nicht gut „beherrschen“. Stimmt das?
Das Herz entscheidet
In der westlichen Wissenschaft ist angeblich schon seit Anfang des 20. Jahrhunderts bekannt, dass das Herz ein mindestens ebenso wichtiges Nervenzentrum ist wie das Gehirn (und der Darm). Herzwissenschaftler:innen vom HeartMath Instiute behaupten sogar, dass vom Herzen aus über Nervenbahnen mehr Signale in Richtung Gehirn geschickt werden als umgekehrt. Dabei sei die Qualität der Signale, die das Herz aussendet, entscheidend für die Qualität kognitiver Prozesse. Wenn wir also Angst haben oder Stress empfinden, sind die Gehirnaktivitäten in ihrer Qualität beeinträchtigt. Es wurde gemessen, dass der ganze Körper in einen insgesamt harmonischeren Zustand wechselt, wenn wir eine positive Emotion aufrufen und diese im Herzen fühlen können. Die so genannte Herzfrequenzkohärenz ist dann größer. Nicht nur das das Herzfrequenz-Training vom HeartMath Institute, sondern auch Yoga, QiGong, bestimmte Meditationen und Atemtechniken lehren uns, positive Emotionen zu spüren und damit die Herzfrequenz zu harmonisieren. Dieses Wissen scheint also so einfach wie alt zu sein. Probieren Sie es aus!
Wenn das Herz Unterstützung braucht
Manchmal kommen wir jedoch auch mit Übungen, die wir selbst machen können, nicht weiter. Besonders wenn systemische Verstrickungen vorliegen, ist es schwer, sich daraus allein zu lösen. Hier kann eine Familienaufstellung helfen, Ihnen Klarheit zu verschaffen. Auch hier kommen wir aus dem reinen Überlegen im Kopf raus in einen mehrdimensionalen Spürprozess. Das Geschehen, das mit unserer Entscheidungsunfähigkeit zu tun hab, löst sich von uns ab und zeigt sich durch die Bewegungen der Stellvertreter:innen.
Ein fiktives Beispiel: Eine Klientin kann sich nicht entscheiden, den nächsten Schritt in ihrer beruflichen Entwicklung zu gehen und leidet sehr darunter. Sie müsste dafür den alten sicheren Job aufgeben, aber sie klebt darin wie fest. In der Aufstellung zeigt sich, dass sie gar nicht auf das Neue und ihr eigentliches Ziel schauen kann, dass sie mit der Aufmerksamkeit ganz woanders ist. Ihre ganze Aufmerksamkeit ist bei ihrer Mutter, die sich selbst auch nie verwirklicht hat, weil sie mit ihrem Schmerz beschäftigt war. Für die Klientin wäre nun der Prozess, ihre Mutter in ihrem Schmerz zu sehen und zu achten, und dann den Schmerz bei der Mutter zu lassen und sich zu erlauben, über die Mutter hinaus zu wachsen und in ihr eigenes Leben zu gehen. Nun kann sie auch auf das beruflich Neue mit Kraft und Freude schauen und sich dem annehmen.
Workshop „Entscheidungen treffen leichter gemacht“
Für Frauen biete ich im Bildungs- und Beratungszentrum Raupe und Schmetterling – Frauen in der Lebensmitte e.V. drei Mal pro Jahr einen Workshop zum Thema „Entscheidungen treffen leichter gemacht“ an. In dem Workshop erläutere ich zum einen die Hintergründe des Entscheidens und der Schwierigkeiten. Zum anderen kommen die Teilnehmerinnen in Aufstellungsübungen zu zweit oder zu dritt sowie in Achtsamkeitsübungen ihrem Herzen näher, aber auch ihrer Entscheidungsfrage und dem Hindernis. Darüber hinaus können Teilnehmerinnen ihr ganz konkretes Anliegen zur Aufstellung bringen, die ich im klassischen Gruppenformat leite.
Systemische Aufstellungen bei der Entscheidungsfindung
In meiner Beratungspraxis können Sie eine Frage, die mir einer Entscheidungsfindung zu tun hat, im Einzelsetting oder im Gruppenformat mit einer systemischen Aufstellung betrachten. Eine Einzelsitzung hat den Vorteil, dass Sie die Perspektiven der anderen Menschen, die zu Ihrem Anliegen gehören, selbst erfahren können. Denn hier arbeiten wir mit Bodenankern, also mit Positionszetteln auf dem Boden, und spüren uns auf den Positionen selbst ein. Die Gruppenaufstellung hat den Vorteil, dass Sie das Geschehen dynamisch miterleben. Die Stellvertreter:innen für die Familienangehörigen bewegen sich entsprechend der Impulse, die sie auf ihren Positionen spüren. Mehr zu den Vorteilen erfahren Sie in meinen Angeboten unter Familienaufstellung.
Entscheiden Sie sich für eine Familienaufstellung, wenn Sie zu schwer an einer Entscheidung zu tragen haben.