In den vergangenen zwei Beiträgen habe ich beschrieben, wie gut und wichtig es für uns Menschen ist, in die (äußerliche) Ruhe zu kommen und unseren Gefühlen Raum zu geben. Wie findet man nun in stressigen Zeiten die innere Ruhe, aus der man so viel Kraft schöpfen kann? Ich selbst kenne es auch, in Phasen sehr gestresst zu sein. Um die innere Ruhe zu finden, habe ich selbst nicht nur für mich Familienaufstellungen gemacht, sondern habe gerade an einem Kurs in MBSR teilgenommen, wo man das Achtsam-sein und das Meditieren ganz strukturiert lernt. Beides zusammen hat mir sehr geholfen, ruhiger zu werden und einen besseren Umgang mit stressigen Situationen zu finden.
Was ist MBSR?
MBSR ist die Abkürzung für Mindful Based Stress Reduction, auf Deutsch Achtsamkeitsbasierte Stressreduzierung. Dahinter verbirgt sich ein achtwöchiger Kurs mit Übungen für den Atem und Körper mit dem Ziel, das ganze Leben achtsamer und bewusster zu leben. Also nicht nur „achtsam im Alltag“, sondern achtsam in jeder Lebenslage, bei allem, was wir tun und nicht tun. Das Kurs-Programm wurde von Jon Kabat-Zinn und Kolleg/innen entwickelt und hat immer den gleichen Ablauf. Ursprünglich wurde es in Kliniken für Patient/innen mit physischen und psychischen Beschwerden eingesetzt. Mittlerweile bieten viele Lehrer/innen das achtwöchige Programm mit immer gleichem Ablauf in freier Praxis an. Der einzige Unterschied ist, dass die Kursteilnehmer/innen in den Kliniken krank geschrieben waren während der acht Wochen. Für berufstätige Menschen zu Hause ist es eine besondere, aber durchaus lohnenswerte Herausforderung, diesen achtwöchigen Kurs in ihren Alltag einzubauen.
Warum lohnt sich MBSR?
Das MBSR-Konzept lehrt die Seinsweise der Achtsamkeit. Es orientiert sich an dem unveränderlichen Kern der buddhistischen Achtsamkeitslehre und wurde für westliche Verhältnisse wissenschaftlich entwickelt. Die Wirksamkeit der Stressreduzierung ist ebenso anhand wissenschaftlicher Studien belegt. Da der Kurs sehr strukturiert und in kleinen Schritten aufgebaut ist, ermöglicht er meiner Auffassung nach auch Anfänger/innen, sich einen Zugang zu einer eigenständigen Achtsamkeitspraxis zu erarbeiten. Aber auch für Mensch mit Meditationserfahrung kann die Teilnahme lohnenswert sein, um die eigene Praxis aufzufrischen und vor allem den Bezug in den Alltag wiederherzustellen.
Während der Arbeit kommt das Vergnügen
Der Kurs ist tatsächlich erst mal ein Stück Arbeit. Vielen Teilnehmer/innen kommt es bestimmt so vor, als würde man gegen den Strom schwimmen müssen: gegen eigene Gewohnheiten, gegen die Stille, in der man sich selbst und unbekannten Seiten begegnet, und gegen die unzähligen zeitlichen Hindernisse. Im Kurs kann man genau das Gegenteil lernen, nämlich mit dem Strom zu schwimmen und die ganzen Schwierigkeiten da sein zu lassen, ohne sie weg haben zu wollen. Man lernt in dem Kurs, dass es nicht darum geht, in einen harmonischen entspannten Zustand zu gelangen, sondern die Anspannung, Verspannung wahrzunehmen und da sein lassen zu dürfen. Auf diese Weise können wir viel Kraft sparen. Kraft, die dafür verwendet wird, unangenehme Empfindungen weg zu drücken. Diese Erfahrung kann man schon während des Kurses machen.
Der eine Atemzug, in dem alles enthalten ist
Im Zentrum steht immer wieder der eine Atemzug jetzt, und jetzt, und jetzt. Allein sich diesen bewusst zu machen, auf ihn zu achten, das ist eigentlich schon das ganze Geheimnis. Die Bewegungen des Lebens kommen und gehen wie Wellen. Anspannung und Entspannung, Einatmen und Ausatmen, das ist der ganze Rhythmus. Darin liegt die Erkenntnis, dass das Leben und alles, was es mit sich bringt, kommt und geht. Diesen Rhythmus verliert man in der materialisierten Welt. Genau deswegen ist die Achtsamkeit wie ein hartes Training in Geist-Sport für viele von uns. Aber es lohnt sich. MBSR kann Menschen darin unterstützen, sich selbst besser kennenzulernen und sich und sein Leiden mit Freundlichkeit anzunehmen. Das wirkt sich natürlich auch positiv auf Beziehungen zu anderen Menschen aus. Und schließlich wird das Leben und die Welt doch harmonischer und entspannter.
Wo kann ich einen MBSR-Kurs machen?
Auf der Internetseite des MBSR-MBCT-Verbands finden Sie Adressen zu zertifizierten Kursleiter/innen. Die Krankenkassen erstatten teilweise MBSR als Präventionskurs. Vor Ort in Berlin-Neukölln kann ich die Heilpraktikerin und erfahrene Meditationslehrerin Anne Wanitschek (Link) empfehlen, die MBSR online und als Präsenzkurs anbietet. Die Kosten für einen Kurs liegen zwischen 300 und 390 Euro, was für das Angebot und die nachhaltige Wirkung nicht teuer ist. Für Mensch, Natur und Gesellschaft würde es sich meiner Meinung nach lohnen, wenn dieser Kurs an Schulen, Berufs- und Volkshochschulen und Universitäten oder von Unternehmen kostenlos angeboten wird.
Familienaufstellung und MBSR
Wer einen MBSR-Kurs macht, wird mit einiger Wahrscheinlichkeit mit unangenehmen Gefühlen oder Glaubenssätzen konfrontiert. Man kann sich sozusagen freuen, wenn das geschieht, denn es meldet sich möglicherweise ein noch ungesehenes Gefühl. Hier kann es durchaus sinnvoll sein, sich durch Therapie und Beratung Unterstützung zu holen. Mit einer Familienaufstellung ist es möglich, sich ganz bestimmte belastende Gefühle und Glaubenssätze, die sich wiederholend zeigen, anzuschauen. Wie in der Achtsamkeitspraxis so „verschwinden“ auch Gefühle oder Glaubenssätze nicht für immer nach einer Aufstellung. Aber der Umgang damit wird bewusster und leichter, sie machen uns nicht mehr handlungsunfähig. Mit einer Achtsamkeitspraxis unterstützen Sie sich in jedem Fall immer bei dem bewussten und verantwortungsvollen Umgang mit Ihren Gefühlen und Glaubenssätzen.
Machen Sie sich auf den Weg. Endecken Sie die Bedeutsamkeit eine Atemzugs, in dem alles schon da ist, was Sie brauchen. Hier und jetzt.
Und wenn Sie Unterstützung bei der Bewältigung schwieriger Gefühle oder hartnäckiger Glaubenssätze brauchen, kontaktieren Sie mich gern. Ich begleite Sie einfühlsam und professionell mit einer systemischen Aufstellung.
Aktualisiert am 18.10.2021